COVID-19 — Aktuelle Warnung vor Zoom und anderen Plattformen für Fernunterricht

In der aktuellen Situation bieten viele proprietäre Anbieter verschiedene Produkte und Online-Plattformen kostenlos an oder bewerben diese sehr stark. Aus der Not heraus benutzen viele Schulen und Lehrkräfte ohne genaue Prüfung Dienste, die unter Umständen Gefahren bergen. Wir möchten dazu aufrufen, auch in der momentanen Notsituation wachsam zu sein und Anforderungen an Datenschutz und Privatsphäre zu beachten.

Schnelle Lösungen sind momentan nötig, um ausfallenden Unterricht abzufangen oder einfach den Kontakt mit Schülerinnen und Schülern zu halten. Dabei ist es verständlich, dass Lehrkräfte nicht zusätzlich die Energie aufbringen können, jedes einzelne Angebot genau zu prüfen und Dienste ausgiebig zu testen.

Während eine ganze Reihe von Projekten Unterstützung anbieten und ihre Dienste öffnen, nutzen auch kommerzielle Anbieter die Gelegnheit, Werbung zu machen oder unterbreiten gar Lockangebote, die sie unter normalen Bedingungen nicht unterbreiten würden. Hieraus erwachsen verschiedene Gefahren:

  • Es wird nicht ausreichend geprüft, ob Dienste die Anforderungen an die Privatsphäre der Schülerinnen und Schüler gewährleisten
  • Datenschutzrechtliche Fragen werden nicht ausreichend geklärt
  • Schülerinnen und Schüler werden schnell gezwungen, Nutzungsbedingungen ohne ausreichende Information zu akzeptieren
  • Es kommt zu einem Vendor-Lock-In, das heißt, die Anbieter binden aus der aktuellen Situation heraus Lehrkräfte und Lernende an ihre Produkte, um danach mit ihren Daten oder kostenpflichten Angeboten Geld zu verdienen
  • Die Akzeptanz schlechter Nutzungsbedingungen wird aus der Not heraus weiter zur Norm

Ein aktuell prominentes Beispiel ist der Videochat-Anbieter Zoom.us, den viele Kollegien und Klassen nutzen, um in Gruppen Unterhaltungen oder auch Unterrichtseinheiten abzuhandeln. Dabei steht hier nicht im Vordergrund, dass Zoom die gesamte Nutzung in den USA abwickelt und in den Datenschutzbestimmungen weitreichende Berchtigungen fordert. Auch die Eingriffe in die Privatsphäre der Nutzer sind intransparent — so ist es offenbar möglich, dass der "Gastgeber" einer Videokonferenz überwacht, ob und wann andere Teilnehmende die Konferenz im Vordergrund haben, sowie weitere Indikatoren über das Verhalten erhält. Dies soll und kann gewisse Überwachungsmöglichkeiten des Klassenraums replizieren, jedoch ist die Wohnung der Teilnehmenden ein besonders geschützter Raum, in dem besonderes Feingefühl für die Privatsphäreeingriffe notwendig ist.

Neben den rechtlichen Aspekten der Nutzung von Werkzeugen möchten wir insbesondere Lehrkräfte dazu anhalten, bei der Umsetzung von Kontrollmöglichkeiten das besondere Schutzbedürfnis der Lernenden außerhalb des Klassenraums zu berücksichtigen:

  • Sofern Lernende nicht selber etwas präsentieren sollen, ist die Forderung, ein Video aus dem Privatraum zu übertragen, inakzeptabel
  • Eingesetzte Werkzeuge dürfen keine einseitige überwachung ermöglichen, d.h. jede und jeder Teilnehmende muss jederzeit die gleichen Möglichkeiten haben — ist z.B. eine "Aufmerksamkeitsüberwachung" möglich, so muss transparent sein, ob und wann diese aktiv ist
  • Eingesetzte Werkzeuge dürfen nicht über die Grenzen der Sitzung hinaus die Nutzung des Gerätes überwachen
  • Teilnehmende dürfen nicht dazu gezwungen werden, Einschränkungen ihrer Rechte, insbesondere im Hinblick auf Privatsphäre, zu akzeptieren, wenn dies nicht unbedingt erforderlich ist (zu "Zwang" gehört auch die in vielen Schulstrukturen latent vorhandene Machtposition der Lehrkräfte sowie Angst vor schlechten Bewertungen)

Der Einsatz selbst gehosteter, freier Dienste ist fast unabdingbar, um diese Punkte zuverlässig umzusetzen.

Der Schulsupport des Teckids e.V. bietet, unabhängig von der aktuellen Situation, selbst gehostete Pakete zu fairen Konditionen an. Auf Anfrage per E-Mail an schulsupport@teckids.org kann innerhalb von weniger als einem Tag eine vollständig sicher und unabhängig gehostete Kombination aus folgenden Werkzeugen bereitgestellt werden:

  • Moodle (Lernplattform und Online-Kurs-System)
  • Jitsi Meet (Videokonferenzen)
  • BigBlueButton (Videokonferenzen, interaktives Whiteboard, uvm.)
  • Nextcloud (Dateiaustausch)

Die Dienste werden vollständig integriert angeboten. Lehrkräfte, Schulleitungen und Schulträger können sich zur Abstimmung eines individuellen Angebots direkt per E-Mail an uns wenden, so dass das Paket angepasst werden kann (ggf. mit Telefon-Termin) und dann in kürzester Zeit bereitsteht.

Schul-Administratoren, die selbstgehostete Dienste selber aufsetzen möchten, erhalten — neben den Supportkanälen der einzelnen Projekte — kostenlos Beratung und Unterstützung von unserem Team FOSS unter foss@teckids.org.

Um Dienste auszuprobieren oder auch schnell einfach zu nutzen, stellt der Teckids e.V. diese öffentlich bereit.

Weitere Informationen bieten auch die Electronic Frontier Foundation (What You Should Know About Online Tools During the COVID-19 Crisis) sowie der Verein DigitalCourage (Kinder und Jugendliche — Schulen).

Update: Wir wurden darauf aufmerksam gemacht, dass bzgl. der Plattform Zoom teilweise nicht ganz korrekte Informationen verbreitet werden, die behaupten, die Betreiber von Zoom selber würden das Aufmerksamkeitstracking aktivieren und auswerten. Das ist nicht richtig und wird von uns auch nicht behauptet — dennoch ist auch die Plattform Zoom für den Einsatz mit Minderjährigen aufgrund der Nutzungsbedingungen nicht geeignet und wir vertreten die Ansicht, dass auch Lehrkräfte nicht die Möglichkeit bekommen sollten, ihre Lernenden unbemerkt zu überwachen und Plattformen diese Möglichkeit nicht anbieten sollten.

Update: In der Zwischenzeit haben Sicherheitsforscher weitere bedenkliche Nachrichten zu Zoom, über die u.a. Heise berichtet.

Update: Der "Datenschutz-Guru" hat mit seinem Blog-Post Hilfe…ist „Zoom“ etwa eine Datenschleuder? eine Stellungnahme veröffentlicht, die Zoom als vorbildlich einsetzbares Werkzeug skizziert. Diese bezieht sich jedoch in großen Teilen auf eine bezahlte Version von Zoom, bei der der Abschluss eines Vertrags zur Auftragsverarbeitung möglich ist. Dadurch wird dann auch juristisch der Zoom-Host, also z.B. die Schule oder die Lehrkraft, zum Verantwortlichen für die Datenerhebung und darf unter den Voraussetzungen des Vertrags Zoom mit der Verarbeitung dieser Daten beauftragen. Bei der kostenlosen Variante, die momentan häufig schnell eingesetzt wird, besteht diese Möglichkeit nicht. Desweiteren setzt die Einschätzung des "Datenschutz-Guru" voraus, dass alle Betroffenen ihre informierte Einwilligung erteilen können, was jedoch Minderjährigen nicht ohne Weiteres möglich ist. Hier muss also, wie so oft, eine Bevormundung der Betroffenen stattfinden. Beim Teckids e.V. betrachten wir grundsätzlich auch diesen Aspekt und bewerten alle Datenschutz- und Nutzungsbedingungen vorrangig unter diesem Gesichtspunkt.